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„Wer jetzt nicht baut, ist selber schuld“ 

Alles spricht von der Wirtschaftskrise. Obermeister Rüdiger Otto von der Baugewerksinnung Bergisches Land hingegen sagt: „Wer jetzt nicht baut, ist selber schuld.“ Schließlich sind die Zinsen billig wie lange nicht mehr, und wer weiß, wie lange die Banken so günstig Geld verleihen. Dennoch können selbst Fachleute schwer einschätzen, inwieweit beispielsweise junge Familien bereit sind, in der momentanen wirtschaftlichen Situation ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen.

Auch für Rüdiger Otto ist es schwierig zu sagen, wohin die Reise in der Bauwirtschaft geht. Derzeit berichten manche seiner Kollegen aus der Innung, dass sie die Auftragsbücher voll haben. Andere wiederum suchen händeringend nach Arbeit. Fakt sei jedenfalls: „2009 wird ein kein einfaches Jahr, es wird schwierig.“ Natürlich gehe die Krise auch am Baugewerbe nicht spurlos vorbei. Aber es gibt auch Hoffnung: So sind nach Informationen der Banken die Spareinlagen so hoch wie nie zuvor. Private Auftraggeber könnten antizyklisch handeln und dieses ersparte Geld gerade in der jetzigen Phase für Investitionen in den Gebäudebestand nutzen.

Sinn macht vor allem die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen, also beispielsweise eine neue Wärmedämmung. Immerhin wurden drei Viertel aller Wohneinheiten in Deutschland vor 1986 fertig gestellt und davon wiederum zwei Drittel vor 1978, als die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft trat. Die energetische Gebäudesanierung ist auch deshalb eine Chance für die Bauwirtschaft, weil die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen in den nächsten Jahren mit insgesamt jährlich rund 1,2 Milliarden Euro bezuschusst. Neben der Wohnraummodernisierung, der CO2-Minderung und der umweltfreundlichen Energienutzung wird derzeit beispielsweise das ökologische Bauen gefördert.

Obermeister Otto wünscht sich darüber hinaus weitere steuerliche Anreize. So könnte der ökologische Umbau des Gebäudebestandes schneller umgesetzt werden. Neben der bereits umgesetzten steuerlichen Förderung von Handwerkerleistungen könnte er sich dazu den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent auf die Materialkosten vorstellen.

Eine gute Initiative ist für Otto die Kampagne „Haus sanieren – profitieren“, die die Deutsche Bundesstiftung Umwelt zusammen mit dem Handwerk und weiteren Akteuren aufgelegt hat. Derzeit enthält die Datenbank im Internet http://www.sanieren-profitieren.de/ rund 4.750 Handwerksbetrieb, deren Mitarbeiter im Rahmen der Kampagne erfolgreich an einer Schulung zur „Energetischen Gebäudesanierung“ teilgenommen haben und deshalb bei Inte-ressenten zu Hause einen kostenlosen Energie-Check durchführen dürfen. Darunter sind auch mehr als 80 Handwerksbetriebe aus der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land.

Hausbesitzer sollten mit einem klaren Konzept an die Sanierung gehen und sich vom Fachmann beraten lassen, welcher Maßnahme die höchste Priorität zukommt. Bringen neue Rohrleitungen den größten Effekt oder saniert man besser die Dachgeschossdecke? Wichtig ist auch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Maßnahmen. Es macht wenig Sinn, wenn sich jemand neue Fenster einbauen lässt, zwei Jahre später einen neuen Wärmedämmputz haben möchte und dann feststellen muss, dass es beispielsweise an den Laibungen nicht passt.

Die Marktchance ist da – jetzt liegt es an den Bauhandwerkern, sie zu nutzen. Deshalb appelliert die Innung an die Mitgliedsbetriebe, sich im Bereich der energetischen Gebäudesanierung weiterzubilden und die angebotenen Seminare zu besuchen.

Im Übrigen wünscht sich der Obermeister, dass die Kommunen mehr in die öffentlichen Gebäude investieren sollten, um sie auf den neuesten energetischen Stand zu bringen. So hätten Gutachter festgestellt, dass sich diese Investitionen für die Kommunen durch die geringeren Energiekosten schon in wenigen Jahren amortisieren könnten. Daher wäre es schön, wenn man die Kommunen begeistern könnte, hier innovativer zu sein, langfristiger zu denken und neue Wege auch im Umgang mit dem eigenen Haushaltsplan zu gehen.

Allerdings ist die energetische Gebäudesanierung längst nicht das einzige Segment, in dem sich Möglichkeiten für die Bauunternehmen in der Region bieten. Viele Betriebe der Innung profi-tieren von der starken Industrie in der Region. In den großen Werken muss ständig etwas umgebaut werden.

Aber auch große Wohnungsgesellschaften sind Kunden der regionalen Bauwirtschaft. Aufträge kommen auch aus dem kommunalen Bereich: Viele Kindergärten und Schulen stellen auf Ganztagsbetrieb um und müssen entsprechend umgestaltet werden. Die geplanten Investitionen in Bildung und Straßenbau im Rahmen der Konjunkturpakete sieht Rüdiger Otto positiv, aber nur dann, und hierfür wird derzeit gekämpft, wenn die Rahmenbedingungen jetzt schnell so gestaltet werden, dass das Bauhauptgewerbe hiervon schnell profitieren kann.

Ein Problem für das Bauhandwerk in der Region ist die zunehmende Konkurrenz aus Ostdeutschland, die mit Dumpingpreisen in den Markt drängt. Als Beispiel nennt der Obermeister die Renovierung eines Gebäudes in der Region. Fünf Unternehmen aus der Region lagen im Rahmen der Ausschreibung bei jeweils rund 200.000 Euro. Den Zuschlag erhielt eine ostdeutsche Firma – für 89.000 Euro. Zwar ging das Unternehmen einige Zeit später Pleite – doch der Auftrag war erst einmal weg. Für dieses Geld konnte kein normales Bauunternehmen das Projekt umsetzen. Zumindest dann nicht, wenn es die Regeln befolgt hätte.

Sorge bereitet der Branche der demografische Wandel. Schon heute sind Facharbeiter schwer zu bekommen. Die Mitglieder der Baugewerksinnung setzen auf Selbsthilfe – und bilden verstärkt aus. So steigerten sie die Zahl der Auszubildenden um Maurerhandwerk in 2008 um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Jahr davor. Im Bereich der Kreishandwerkerschaft war das der stärkste Zuwachs an Auszubildenden in allen Innungen.

Damit die Betriebe auch genügend Interessenten für die Lehrstellen finden, haben einige Vorstandsmitglieder der Baugewerksinnung Schulpatenschaften übernommen. Sie präsentie-ren ihr Handwerk beispielsweise bei Eltern-Informationsabenden oder im Rahmen von Berufsbildungstagen. Bei diesen Gelegenheiten erzählen sie nicht nur von der inneren Begeisterung und Zufriedenheit, die ein Bauhandwerker empfindet, wenn er sein fertiges Werk betrachtet oder später einmal daran vorbeifährt. Sie schildern darüber hinaus auch die attraktiven Aufstiegsmöglichkeiten zum Polier oder Bauingenieur. Dem Handwerk ist diese Art der Nachwuchswerbung sehr wichtig: Das Handwerk darf nicht das Rennen gegen die Industrie verlieren.

Die Baugewerksinnung bietet über die Kreishandwerkerschaft eine Vielzahl von Leistungen : Ein Beispiel ist die Präqualifikati-on. Bereits Anfang 2006 wurde für Bauunternehmen die Mög-lichkeit geschaffen, sich auftragsunabhängig zu präqualifizieren. Dieser generelle Eignungs- und Zuverlässigkeitsnachweis dient dem Ziel, Aufwand und Kosten bei der Durchführung von Vergaben zu minimieren. Auch können damit illegale Praktiken in der Bauwirtschaft besser vermieden und „ehrliche" Unternehmen geschützt werden. Die Einführung der Präqualifikation geht auf einen Vorschlag der Bauwirtschaft zurück. Das Verfahren hat wegen der abgestimmten, für alle Präqualifizierungsstellen verbindlichen Prüfmaßstäbe einen hohen Nutzen. Es gewährleistet die Chancengleichheit gerade bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben.

Inzwischen lassen sich immer mehr Baubetriebe präqualifizieren. Kein Wunder: Die öffentlichen Auftraggeber von Bund und Land wollen bei bestimmten Ausschreibungen nur noch präqualifizierte Unternehmen zulassen. Viele Unternehmen nutzen zudem eine Präqualifikation bei privaten Auftraggebern als Quali-tätssiegel.

Zufrieden ist die Baugewerksinnung mit dem Gewicht, das sie nach dem Zusammenschluss in der Region hat. „Wir bekommen ein Ohr bei der Kommunalpolitik und können unsere Themen hier vor Ort einbringen“, formuliert es Rüdiger Otto. Dazu trage die Stärke der Kreishandwerkerschaft insgesamt, aber auch das Instrument des „Runden Tisches“ in den Kommunen bei. Die Vertreter der Baugewerksinnung nehmen hier stets teil. Um in dem großen Innungsgebiet überall präsent zu sein, wurden die Aufgaben im Vorstand verteilt: Während Obermeister Otto für Leverkusen zuständig ist, konzentrieren sich seine beiden Stellvertreter Helmut Korthaus und Wilfried Patermann auf den Oberbergischen Kreis bzw. den Rheinisch Bergischen Kreis.

Das Bauhandwerk hat trotz schwieriger und nicht prognostizierbarerer Rahmenbedingungen Zukunft. Rüdiger Otto hat dafür eine ganz logische Begründung: „Wir wohnen alle in Häusern, also braucht jeder früher oder später einen Bauhandwerker.“  

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