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Branchenreport  - Tischler 

„Ein behaglicher Lebensraum ist ohne Tischler gar nicht möglich“

Fragt man einen Tischler nach seinem Beruf, gerät er unweigerlich ins Schwärmen. Achim Culmann ist da keine Ausnahme. „Wir fertigen etwas, das sehr lange hält, und das hat etwas sehr, sehr Schönes“, sagt der Obermeister der Tischler-Innung Bergisches Land. Und dann sei da natürlich der Werkstoff: Holz bietet von Schneeweiß bis Schwarz jede Farbe, es kann eisenhart sein oder butterweich, man kann damit Kultur und Kunst ausdrücken oder etwas ganz Praktisches herstellen.

Zudem ist Holz ein Werkstoff, zu dem der Mensch eine ursprüngliche Beziehung hat. „Holz ist ein Stück Natur, das die Spuren des Lebendigen in sich trägt“, heißt es auf der Website  http://www.tischler.de/ des Bundesverbandes des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks. Das habe sich wohl auch auf das Tischlerhandwerk übertragen, denn es sei ein lebendiges Handwerk, das sich den sich ändernden Anforderungen und Entwicklungen stets erfolgreich gestellt habe. So würden inzwischen viele neue Materialien, wie beispielsweise Kunststoffe, Metalle und auch Glas, als bedeutende Werkstoffe im Tischlerhandwerk genutzt.

Geänderthaben sich auch die Arbeitsverfahren und die Technik. Zahlreiche Arbeiten, die noch vor wenigen Jahrzenten von Hand ausgeführt wurden, werden heute von modernen Maschinen übernommen. Das Berufsbild des Tischlers habe sich gewandelt, schreibt der Bundesverband. Geblieben jedoch sei der Ehrgeiz, gut gestaltete sowie material- und umweltgerecht verarbeitete Produkte zu schaffen, und das auf der Basis des Erfahrungsschatzes eines traditionsreichen Handwerks.

In der Schreinerei sei zudem das interdisziplinäre Umfeld viel größer als bei vielen anderen Gewerken, ergänzt Obermeister Culmann. Der Tischler muss sich auch mit Stein, Erde oder dem Wetter beschäftigen, um nur einige Bereiche zu nennen. „Wir müssen ganz viele Dinge ins Kalkül ziehen, wenn wir eine Konstruktion für ein wie auch immer geartetes Produkt aufbauen – da wird uns eine ganze Menge abverlangt“, bekräftigt Culmann.

Er nennt ein Beispiel: Ein Kunde, der gerade für den Wert eines gut ausgestatteten Mittelklassewagens seine Inneneinrichtung erneuert hat, bittet den Tischler zum Schluss des Auftrags, für seinen kleinen Hund eine ganz einfache Hundehütte zu fertigen. Culmann: „Die kann ich nicht mal eben aus Spanplatten bauen. Wenn die Hütte im Regen steht und am Ende zusammenfällt und den Mops beerdigt, haben wir ein Problem. Darüber muss ich mir Gedanken machen.“

Als Meister-Handwerk im ursprünglichen Sinne sei die Tischlerei eine hohe Disziplin. Umso bedauerlicher findet es Culmann, dass die neue Meisterprüfung in seinem Gewerk „das Handwerk in den Hintergrund drängt und den Verkauf in den Vordergrund rückt“, wie er es formuliert. Auf den ersten Blick gehe es um Kundenzufriedenheit, die inzwischen sogar genormt sei. Aber was verbirgt sich dahinter? Der Obermeister: „Das hat nichts mehr mit Handwerk zu tun, sondern mit der Frage, ob dem Kunden etwas gut verkauft wurde. Wenn ich an der Kasse im Supermarkt stehe, fragt mich die Verkäuferin, ob ich mit meinem Einkauf zufrieden war. Im Grunde ist es vollkommen egal, was ich darauf antworte, denn es interessiert eigentlich niemanden. Die Kundenzufriedenheits-Norm ist auf jeden Fall erfüllt, denn die besagt nur, dass die Frage gestellt werden muss.“

Es könne doch nicht sein, dass jemand eine Meisterprüfung im Handwerk bestehe, obwohl er in der Arbeitsprobe durchgefallen sei, klagt Achim Culmann, denn: „Das ist doch das einzige Regulativ, an dem wir ablesen können, ob er überhaupt hobeln kann.“ Für ihn sind diese Entwicklungen mit dem Grundgedanken von Tradition und Handwerk nicht mehr vereinbar. Nicht von ungefähr kämen Millionen Touristen nach Köln, um sich dort Meisterstücke anzusehen. Die Museen stellten ebenfalls Meisterstücke aus früheren Zeiten aus. Heute hingegen sei leider das Geldverdienen und Umsatzmachen immer wichtiger geworden. „Dabei ist es doch ein Wert an sich, wenn ich sägen, fräsen und selber etwas fertigen darf“, sagt er.

Und was benötigt heute jemand, um ein guter Tischler zu sein? Nicht mehr als früher auch, meint Culmann. Auf Vielseitigkeit komme es an. Tischler seien tendenziell ein wenig eigenbrötlerisch veranlagt: „Wir sind halt Holzwürmer, die ganz gerne in Ruhe gelassen werden wollen, nicht viel reden und vielleicht nicht die Charmebolzen sind. Aber wir machen unseren Kram, und den machen wir gut.“ Für die Schreinerei brauche es viel Zeit und viel Geduld – „das hat etwas Friedfertiges“.

Die finanzielle Hürde für eine Selbständigkeit im Tischlerhandwerk ist hoch: 80.000 bis 100.000 Euro muss man mindestens in Kreissäge, Hobel, Zylinderschleifmaschine, Kantenanleimer und anderes Werkzeug investieren, um einen eigenen Betrieb gründen zu können. Hinzu kommt ein Platzbedarf von 70 bis 80 Quadratmetern pro Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang begrüßt Obermeister Culmann die existierenden Förderprogramme für Existenzgründer: Sie helfen, den Nachwuchs im Tischlerhandwerk zu sichern.

Der Branche in der Region geht es gut. Culmann: „Sicher gibt es auch ein paar Betriebe, die nicht ganz so viel zu tun haben, aber insgesamt sind die Kollegen zufrieden.“ Und wie ist das Tischlerhandwerk im Bergischen Land strukturiert? Gut die Hälfte der fast 170 Mitgliedsbetriebe seien Schreinereien, die Tischlerarbeiten quer Beet ausführen, ohne sich spezialisiert zu haben. Nach wie vor bieten viele Unternehmen auch Bestattungen an – diese Leistung hat einen Anteil am Gesamtumsatz der Branche von zehn bis zwölf Prozent. Zahlreiche Betriebe hätten Schwerpunkte gesetzt, beispielsweise im Ladenbau, in der Ausstattung von Praxen und Büros oder in der Fertigung von Fenstern und Türen. Der klassische Möbelbau hingegen spielt nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. „Es ist sehr schwierig geworden, mit den Mobelhäusern mitzuhalten“, sagt Achim Culmann.

Bekommt das Tischlerhandwerk den Nachwuchs, den es braucht? „Jaaaa“, antwortet der Obermeister ein wenig gedehnt, „mit unserer Unterstützung.“ Vorletzte Woche, fügt er hinzu, habe er zum zweiten Mal das „Kracher-Erlebnis“ gehabt, dass einem Menschen mit Abitur zum Stichwort „Pi“ nur einfiel, dass er davon schon mal etwas gehört habe. Eine genaue Zahl habe der Gesprächspartner aber nicht damit verbunden. Andere hätten ihm erzählt, dass sie Pi großzügig mit drei rechneten. „Das kann richtig teuer werden, denn wenn der Umleimer aus Ebenholz gefertigt werden soll und bereits zugeschnitten, aber leider vier Millimeter zu kurz geraten ist, dann kostet das Geld“, erklärt Culmann. Er fordert Hingabe und Leidenschaft für den Beruf. Ein Problem sei, dass sich viele Menschen nicht mehr spielerisch mit bestimmten Aufgaben auseinandersetzen, weil sie die Lösung lieber im Internet nachschlagen. Gerade junge Leute sollten hingegen viel mehr forschen, experimentieren und ausprobieren, fordert er.

In jedem Fall sei die Tischlerei nach wie vor ein sehr attraktiver Beruf für junge Menschen. Die Ausbildungszahlen in der Region sind denn auch seit einigen Jahren stabil. Derzeit erlernen 184 junge Frauen und Männern im Bergischen Land den Beruf des Tischlers. Sie schließen ihre Ausbildung mit einem Gesellenstück ab. Und diese Möbel werden jedes Jahr im Rahmen des Wettbewerbs „Die gute Form“ bewertet und öffentlich gezeigt. Die Innung stellt die Gesellenstücke bei einem Holzhändler im Oberbergischen aus und hat in der Halle des Unternehmens eine ideale Plattform gefunden. Culmann: „Da kommt das Radio und interviewt die jungen Leute, da fahren wildfremde Leute mit dem Auto hin, um sich die Stücke anzusehen – das ist einfach eine tolle Sache und eine wunderbare Werbung für unser Handwerk.“ Er wünscht sich, dass die besten Stücke aus Nordrhein-Westfalen auf Plakatwänden gezeigt würden, um die Kreativität im Tischlerhandwerk zu demonstrieren.

Im gleichen Atemzug beklagt Culmann, dass trotz aller Kampagnen für das Handwerk nach wie vor eines nicht erreicht worden sei: „Wir haben es immer noch nicht geschafft zu vermitteln, dass ein selbständiger Handwerksmeister möglicherweise mehr auf der Pfanne hat als ein Diplom-Ingenieur oder ein anderer Akademiker. Wenn ich das irgendwo anbringe, protestieren die Gesprächspartner meistens und sagen, natürlich seien beide Professionen durchaus miteinander vergleichbar. Manchmal drehe ich dann den Spieß um und frage: Wenn Sie die Wahl hätten, wen Ihre Tochter heiraten soll, würden Sie sie dann dem Handwerker zur Frau geben oder dem Diplom-Ingenieur? Und schon ist die Diskussion beendet, weil sich die meisten für den Ingenieur entscheiden würden.“

Viel Spaß hat Achim Culmann an der Arbeit in der Innung, die sich sehr positiv entwickelt habe. Nach seiner Wahl zum Obermeister führte er ein, dass die Vorstandssitzungen reihum jeweils bei einem Kollegen im Betrieb stattfinden. „Dadurch sind wir sehr viel kollegialer miteinander geworden, weil jeder beim anderen sieht, dass der seinen Kaffee auch nur mit Wasser kocht“, sagt Culmann. Inzwischen sei es unter vielen Kollegen in der gesamten Innung üblich, sich bei Problemen oder fachlichen Fragen gegenseitig anzurufen und zu unterstützen. Das führe immer wieder auch zu Kooperationen, bei denen große Aufträge geteilt werden. Da fertigt dann bei einer Praxisausstattung der eine Betrieb die Theke und der andere die Schrankwand im Büro des Chefs.

Die Zukunft des Tischlerhandwerks sieht der Obermeister positiv. „Wenn man einen behaglichen Lebensraum für Menschen haben will, ist das ohne uns gar nicht möglich, denn da wird immer Holz sein“, erläutert er. Die ultra-kühlen Gestaltungen vergangener Jahrzehnte mit viel Plastik oder High-Tech seien doch sehr kurzlebige Modetrends gewesen und recht bald wieder durch die Verarbeitung ausdrucksstarker Hölzer ersetzt worden. „Weil es eben ein toller Werkstoff ist, mit dem man unglaublich tolle Sachen gestalten kann.“ Die Technik sei heute schon so weit, dass Gegenstände auf Wölbung gezogen werden könnten, um dreidimensionale Effekte zu erzielen. Zudem würden neue Hölzer aus der Kombination bestehender Holzarten entwickelt, wodurch unterschiedliche Strukturen und Formbarkeiten entstehen. „Das ist ein so ein tolles Material“, sagt Achim Culmann zum Schluss, „das wird immer aktuell sein.“

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