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Branchenreport  - Raumausstatter, Schuhmacher und Maßschneider 

Drei Handwerke – ein Nenner: Die Experten fürs Wohlfühlen

Wenn Raumausstatter, Schuhmacher und Maßschneider zu einer Innung zusammengefasst sind, stellt sich die Frage: Wo ist der gemeinsame Nenner dieser drei Handwerke? Vielleicht ist das gar nicht so kompliziert zu beantworten: Alle drei sorgen dafür, dass sich ihre Kunden wohl fühlen – in ihrem Zuhause, ihren Schuhen oder ihrer Kleidung.

Es machte also durchaus Sinn, dass sich diese Gewerke in der Innung für Raumausstatter und Bekleidungshandwerke Bergisch Land zusammengeschlossen haben. „Wir haben eine gemeinsame Interessenvertretung unter dem Dach der Innung gebildet und treten auch in der Öffentlichkeit gemeinsam auf“, erläutert Obermeister Bernd Stuhlmüller.

Alle drei Handwerke haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erheblich gewandelt. Stuhlmüller, selbst Schuhmachermeister, verdeutlicht das am Beispiel seiner Branche: „Früher machte die Schuhreparatur rund 90 Prozent des gesamten Umsatzes aus – heute sind es vielleicht noch 30 Prozent.“ Der Grund liegt im Konsumverhalten. „Die breite Masse“, weiß Stuhlmüller, „kauft heute beim Discounter ein Paar Schule für 20 bis 30 Euro. Wenn diese Leute irgendwann für neue Sohlen und Absätze 30 Euro beim Schuhmacher bezahlen sollen, hat der ein Erklärungsproblem, weil sich das aus Sicht der Kunden gar nicht lohnt.“ Anders sieht das bei Kunden aus, die 150 bis 250 Euro für ein Paar Schuhe ausgeben – die sind auch bereit, 30 Euro in die Reparatur zu investieren. „Und der Maßschuhträger mit Schuhen für 500 oder 1.000 Euro denkt über eine solche Ausgabe natürlich nicht weiter nach“, ergänzt Stuhlmüller.

Bei den meisten hingegen liegt die Schmerzgrenze bei 10 bis 15 Euro für eine Reparatur, etwa am Oberleder. Sobald es darüber hinausgeht, wird es für den Schuhmacher schwierig. Stuhlmüller: „Die Leute erkundigen sich, was diese oder jene Arbeit kostet, und oft genug packen sie am Ende ihre Schuhe wieder ein und sagen: ,Ach wissen Sie, da kaufe ich doch lieber neue.’ Da kann der Schuhmacher in Marketing, Verkaufstechnik und Rhetorik noch so geschult sein – in diesem Moment hat er keine Chance, diesem Kunden seine Dienstleistung zu verkaufen.“

Die Schuhmacher haben deshalb bereits vor Jahren damit begonnen, sich breiter aufzustellen und andere Leistungen in ihr Angebot aufzunehmen. Dazu gehören beispielsweise Gravuren, Stempel, Schlüssel. Und natürlich Maßschuhe. Wobei dieses hochwertige Produkt durchaus schwierig ist, wie der Obermeister einräumt: Wer sich dafür interessiere, habe häufig bereits eine gewisse Vorstellung, wie sein Schuh aussehen solle. Das müsse der Schuhmacher erfassen und umsetzen. Und: „Viele vergleichen einen solchen Schuh mit hand- und rahmengenähten Schuhen aus England, die dort 1.000 bis 1.200 Pfund kosten. Wenn sie dann hören, dass der Schuhmacher hierzulande ab 400 Euro aufwärts für einen Maßschuh nimmt, hätten sie natürlich am liebsten für diesen Preis das, wofür sie in England deutlich mehr Geld bezahlen müssen.“ Viele würden gerne Maßschuhe tragen, aber es scheitere oft am Preis.

Wer ist bereit, dieses Geld für Schuhe auszugeben? Nach Stuhlmüllers Eindruck handelt es sich oft um Unternehmer und Führungskräfte, die viel unterwegs sind, viel arbeiten und viel Wert auf ihr Äußeres legen. Menschen also, die über ein entsprechendes Einkommen verfügen und deshalb bereit sind, sich ein gutes Produkt zu leisten, statt von der Stange zu kaufen. Und wer Maßschuhe trägt, der trägt auch Maßanzüge, Maßhemden oder zumindest Halbkonfektionsware. Die Kundenklientel der Schuhmacher und Schneider ist ganz ähnlich.

Im Übrigen ist der Obermeister davon überzeugt, dass noch mehr Menschen für Qualität das entsprechende Geld ausgeben würden, wenn sie mehr über die Bedingungen wüssten, unter denen in Fernost oder anderen Billiglohnländern Schuhe und Textilien produziert werden: „Es wird viel zu wenig darüber berichtet, wie manche Handelskette in Asien die Mitarbeiter ausbeutet.“

Handwerkliche Qualität zu einem fairen Preis – dieses Motto gilt auch für die Raumausstatter, die mit Abstand die meisten der 41 Innungsfachbetriebe stellen. Hinter der noch recht jungen Berufsbezeichnung „Raumausstatter“ verbirgt sich ein traditionsreiches Handwerk, an dessen Anfang textile Wandbehänge standen, die einer 800 Jahre alten orientalischen Tradition entsprangen. Abgesehen von den Gemälden war der Wandteppich das wichtigste und am höchsten geschätzte dekorative Element in den Häusern der Reichen und Vornehmen. Mit ihm hat sich überhaupt der Sinn für Dekoration im Raum entwickelt. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überflügelte dann die Technik der Wandbespannung mit Stoffen den Wandbehang.

Später kam zum Tapezieren und Dekorieren das Polstern hinzu. Ab Ende der 1920er Jahre ging die Entwicklung dieses Handwerks rasend schnell. Neue Materialien, Techniken und die fortschreitende Industrialisierung eröffneten dem Polsterer und Dekorateur neue Felder, bedeuteten aber gleichzeitig große Herausforderungen. Logische Konsequenz: 1965 wurde die Berufsbezeichnung „Raumausstatter“ offiziell eingeführt. Im Berufsbild sind folgende Tätigkeiten angegeben: das Polstern, Dekorieren, Anfertigen von Sicht- und Sonnenschutz, Verlegen von Bodenbelägen sowie Bekleiden von Wänden und Decken. Das belegt den ganzheitlichen Ansatz, komplette Räume aus einer Hand zu gestalten.

Auf seiner Internetseite (www.zvr-info.de ) stellt der Zentralverband Raum und Ausstattung durchaus selbstkritisch die Frage, ob der heutige Raumausstatter diesem Anspruch wirklich gerecht wird. „Realität ist, dass die Identität des Raumausstatters in der breiten Bevölkerung immer noch relativ unbekannt ist oder aber ein recht ,angestaubtes’ Image hat“, schreibt der Bundesinnungsverband.

Handwerkliche Qualität alleine reiche im heutigen Zeitalter der Reizüberflutung nicht mehr aus – sie werde vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt. Hinzukommen müsse eine hohe Beratungskompetenz, die auf fachlichem Können und Wissen, Gefühl für Farb- und Formwirkungen im Raum und nicht zuletzt einer gehörigen Portion Menschenkenntnis gründe. Diese Fähigkeiten seien nicht jedem angeboren, ließen sich jedoch durchaus erlernen. Allerdings, so der Zentralverband: „Am Anfang muss aber zunächst die Erkenntnis stehen, dass man mit dem Meisterbrief – ob zwingend oder nicht – nicht das berufliche Lernziel und schon gar nicht eine Lizenz zum Gelddrucken erworben hat.“

Die gute Nachricht: Mit der Kombination aus handwerklicher Qualität und Beratungskompetenz habe der Raumausstatter als Berater, Planer und Gestalter ein klares Plus vor den großen Handelsketten. Denn viele Verbraucher hätten bereits erkannt, dass große Handelsformen vielfach unflexibel und nicht in der Lage seien, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. Gerade beim Thema Wohnen und Renovieren zeige sich, dass es wichtig sei, ein persönliches Verhältnis zum Kunden aufzubauen, denn immerhin begebe sich der Raumausstatter in dessen Haus oder Wohnung. Als hoch qualifizierter Fachmann rund ums Wohnen müsse sich der Raumausstatter nicht nur beispielsweise mit Farbenlehren, Farbsystemen und den psychologischen Wirkungen der Farben auskennen, sondern auch die Persönlichkeit des Kunden erfassen, um die Räume entsprechend zu gestalten.

„Glücklicherweise haben bereits viele Raumausstatter-Betriebe dies erkannt und sind dabei, sich mit anspruchsvollen Geschäftspräsentationen und interessanten Events selbst als Marke in ihrem Umfeld zu positionieren, getreu dem Motto ,Klein aber fein’, erläutert der Zentralverband Raum und Ausstattung weiter. Die Branche stehe am Beginn einer interessanten Aufbruchphase. Viel versprechend sei dabei vor allem die historisch gewachsene Vielseitigkeit und Flexibilität des Raumausstatter-Berufes. Und: „Die viel diskutierte Frage, ob die Berufsbezeichnung noch passt oder nicht, ist dabei nur Nebensache. Entscheidend ist – wie bei einem guten Wein – nicht was draufsteht, sondern was drin ist.“ Der Raumausstatter sei heute „ein wenig Künstler und Psychologe, Wohnberater und Handwerker in einer Person“.

Während sich das Schumacher- und Raumausstatter-Handwerk breit aufgestellt haben, sind manche Maßschneider sehr erfolgreich mit einer Spezialisierung auf bestimmte Segmente. Einige Mitgliedsbetriebe der Innung konzentrieren sich auf Hochzeitskleidung, andere fertigen Kostüme für Karnevalsprinzen, Funken oder Schützenköniginnen.

Zufrieden ist Obermeister Stuhlmüller mit dem Zusammenhalt und dem Engagement innerhalb der Innung. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werde sich das Innungsleben jedoch weiter wandeln. „Ich sehe einen großen Bedarf in Beratungs- und Serviceleistungen, die die Innung ihren Mitglieder unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft anbietet“, erläutert er. Dazu gehörten vor allem Marketingfragen, aber auch Themen aus bestimmten Rechtsgebieten.

Wie zukunftsfähig sind die drei Gewerke? Bernd Stuhlmüller hält eine Prognose für schwierig. Problematisch sei, dass die Meisterpflicht sowohl im Raumausstatterhandwerk als auch in den Bekleidungshandwerken weggefallen ist. Das wirke sich negativ auf die Ausbildungsleistung aus, wobei erfreulicherweise vor allem die Raumausstatterbranche heute viele kreativ begabte junge Menschen anziehe.

Positiv stimmt den Obermeister jedoch, dass Discounter wohl niemals den individuellen Bedarf anspruchsvoller Kundengruppen decken können. Hier liege die große Chance, mit Kreativität und Können eine große Bandbreite an Kundenwünschen zu erfüllen. Für das Schuhmacherhandwerk hat er eine Vision, wie die Zukunft in zehn Jahren aussehen könnte: „Wir sind dann so speziell geworden, dass wir unentbehrlich für ein bestimmtes Klientel sind“, formuliert er seine Wunschvorstellung. Dagegen hätten wohl auch seine Kollegen aus dem Raumausstatter- und dem Schneiderhandwerk nichts einzuwenden.

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