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Branchenreport - Kraftfahrzeuginnung

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Eine Branche im Strukturwandel: Schwierige Zeiten nach dem Boom


An 2009 werden die Kfz-Unternehmen wohl noch lange zurückdenken. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) spricht von einem „Ausnahmejahr“. Sage und schreibe 3,8 Millionen Neuzulassungen schaffte die Branche – die Abwrackprämie machte es möglich.

Bei bestimmten Fahrzeug-Modellen mussten die Käufer lange auf ihr neues Auto warten. „Gerade im Privatmarkt haben wir bei den Modellen, die nicht zum Premium-Segment gehören, einen unwahrscheinlichen Boom erlebt“, sagt Reiner Irlenbusch, Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Bergisches Land. Viele Menschen hätten alles daran gesetzt, um die Abwrackprämie kassieren zu können. Für ihn ist das ein gutes Beispiel dafür, wie die „Geiz ist geil“-Methode in Verbindung mit der staatlichen Prämie zu einem hervorragenden Konsumklima führen kann. Manche Hersteller profitierten noch bis ins kommende Frühjahr hinein von den europäischen Ankurbelungsprogrammen.

So oder so – 2010 wird für die Branche ein schwieriges Jahr. Fachleute gehen angesichts eines weitgehend gesättigten Marktes künftig von etwa 2,5 Millionen Neuzulassungen und rund sechs Millionen Gebrauchtwagen pro Jahr aus, mit einer Schwankungsbreite von plus/minus fünf bis zehn Prozent. „Wir können uns von der Krisen-Situation nicht komplett abkoppeln, denn es wird uns ja von allen Seiten gesagt, dass Krise da ist“, sagt Reiner Irlenbusch. Dies sei zwar im letzten Jahr nicht so erlebt worden. Inzwischen aber weisen immer mehr Industrieunternehmen darauf hin, dass sie bei anhaltend schlechter Konjunktur Mitarbeiter freisetzen müssten. „Das beeinflusst natürlich das Konsumverhalten unserer Kundschaft, aber auch uns selber, weil wir uns ja aus diesem Gedankenfeld nicht herausziehen können“, so der Obermeister.

In den Autohäusern läuft das Geschäft nun schleppender. Irlenbusch: „Es werden nach wie vor Autos verkauft, aber nicht mehr in den Stückzahlen wie in 2009 erlebt.“ Natürlich sei die momentane Marktlage nicht nur eine psychologische Frage. Er verweist etwa auf die zunehmend restriktive Kreditvergabe durch die Banken hin. Heute sei es nun einmal anders als früher nicht mehr möglich, einen Kredit alleine wegen seines guten Rufs zu erhalten. Stattdessen seien umfassende Kontrollmechanismen aufgebaut worden. Irlenbusch: „Das können viele Unternehmer, vor allem die älteren Mittelständler, nicht verstehen.“

Hinzu kommt das Problem, dass die Renditen äußerst schmal geworden sind. „Es ist heute kaum noch möglich, Fett anzusetzen, und mit dem wenigen Fett, das wir als Unternehmen haben, können wir keinen Winterschlaf durchstehen“, sagt der Obermeister. Das Kfz-Gewerbe ist besonders kapitalintensiv. Oftmals sind die hohen Fahrzeugbestände fremdfinanziert. Viele in der Branche seien mit roten Zahlen unterwegs, so Irlenbusch. In der Vergangenheit hätten die Banken diese Betriebe stets gestützt. Wenn die Lage jetzt schlimmer werde, bestehe die Gefahr, dass die Kreditinstitute den Hahn zudrehen könnten.

Andererseits moniert Irlenbusch, dass die Anforderungen in vielen Bereichen ständig steigen. Er nennt ein Beispiel: Wenn ein Autohaus heute einen Mitarbeiter beschäftigt, der etwa im Lager Teile wegfährt, gilt er möglicherweise als Berufskraftfahrer – und muss die Teilnahme an bestimmten Lehrgängen nachweisen. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit, die er im Betrieb fehlt.

Der Obermeister will die Krise und die Käuferzurückhaltung nicht wegdiskutieren. Aber er sagt: „Solange ich dabei bin, waren wir immer eine Branche, in der gekämpft wurde – um jeden Kunden, um die Erträge, um jede Einheit. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns heute nicht umstellen.“ Zudem ist die momentane Lage für ihn keine große Überraschung. Viele Faktoren, wie etwa die gestiegenen Kredit-Anforderungen im Zusammenhang mit „Basel II“, seien seit Jahren bekannt.

Gerade in der momentanen Lage plädiert er dafür, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern ganz im Gegenteil mit Optimismus nach vorne zu schauen. „Man darf sich jetzt nicht rausziehen aus dem Markt, sonst wird man von den wenigen Kunden gar nicht mehr wahrgenommen.“ Sein Rezept: Aktiv sein, auf die Kunden zugehen, fürs eigene Unternehmen werben. Das gilt im Übrigen für alle Bereiche der Branche. Schließlich sind nicht nur Händler in der Innung, sondern auch Reifenspezialisten, Servicebetriebe oder Lkw-Werkstätten.

Die weitaus meisten Kfz-Unternehmen im Bergischen Land sind klassische Familienbetriebe. Das ist kein Spezifikum der Region, sondern gilt bundesweit. Aufgrund ihrer Kleingliedrigkeit haben die Kfz-Branche eher als andere die Chance, gestärkt aus der augenblicklichen Situation hervorzugehen, so Irlenbusch – mit motivierten Mitarbeitern und aktiven Firmeninhabern, die präsent und ihren Mitarbeitern ein Vorbild sind. Ganz wichtig ist ihm der persönliche Kontakt zum Kunden. Die Kundenorientierung sei in der Branche immer die Basis des Geschäfts gewesen.

„Wenn jedem Mitarbeiter klar ist, dass letztlich der Kunde das Gehalt bezahlt und die Stromkosten trägt, dann geht er mit einer anderen Einstellung auf ihn zu“, sagt Irlenbusch. Eine gute Kundenbindung ist eine Chance, den zunehmend beliebter werdenden Preisvergleichen im Internet bei Autokäufen und Serviceleistungen etwas entgegenzusetzen. Dazu gehören auch eine marktgerechte Preisgestaltung, die Nutzung von preiswerten Einkaufsmöglichkeiten, ein gut trainiertes Team im Unternehmen, eine positive Werbung und ein gutes Verhältnis zu anderen Partnern im Markt, wie Banken oder Verbänden.

Anders als viele Internethändler sind die Innungsfachbetriebe in der Region verhaftet. Irlenbusch: „Wir beschäftigen Mitarbeiter aus der Region, sprechen die Sprache der Region, verstehen ihr Gedankengut und sind damit in der Kommunikation der beste Partner für den Kunden in der Region.“ Das gilt für jedes Innungsmitglied – vom kleinsten Servicebetrieb bis zum größten Autohaus. Sie setzen auf langfristige Kundenbeziehungen. Viele Kunden wissen das zu schätzen. Im vergangenen Jahr musste die Kfz-Schiedsstelle bei der Kreishandwerkerschaft rund 120 Fälle bearbeiten, berichtet der stellvertretende KH-Hauptgeschäftsführer Marcus Otto. Eine mit sehr guten Fachleuten besetzte Schieds-kommission stehe hier für Objektivität und zügige Bearbeitung. Schnelle Entscheidungen sind für die Kunden und die Betriebe wichtig. Eine aus Marketinggesichtspunkten nicht zu unterschätzende Möglichkeit für die Betriebe auf diese Möglichkeit bei Verkaufs- oder Reparaturgesprächen hinzuweisen. Denn es ist bemerkenswert: Keiner dieser Fälle ging vor Gericht. „Das zeigt, dass die Verbraucher das Innungs-Signet wahrnehmen und Beschwerden dann über die Kfz-Schiedsstelle laufen lassen, statt zu klagen. Ein klares Zeichen, dass sie sich hier gut aufgehoben fühlen“, so Otto.

Schon seit langem befindet sich das Kfz-Gewerbe in einem umfassenden Strukturwandel. Aufhalten lässt er sich nicht. Der Trend geht zu weniger, aber größeren Unternehmen mit größeren Betriebsstätten. Bereits heute hat ein Kfz-Unternehmen im Bundesdurchschnitt zwei Betriebsstätten. In zehn Jahren, prognostizieren Branchenkenner, werden es etwa dreieinhalb bis vier Betriebsstätten sein. Gleichzeitig geht der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes davon aus, dass die Zahl der fabrikatsgebundenen Betriebsstätten von derzeit rund 19.000 in den nächsten acht bis zehn Jahren auf 15.000 bis 16.000 sinken dürfte.

Der Verband fordert deshalb ein neues Geschäftsmodell als Basis für eine neue Beziehung zwischen Herstellern und Handel. Dazu gehöre eine Belieferung mit Neuwagen, die sich an der Nachfrage orientiere. „Hier liegt der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg des Handels“, so der ZDK. Solange zu viel Ware mit Druck in den Markt gepresst werde, „werden wir nicht zu vernünftigen Ergebnissen kommen“.

Das Rückgrat des Kraftfahrzeuggewerbes ist und bleibt der Service mit rund 73 Millionen Aufträgen im Jahr. Dabei schneidet die Branche im Urteil der Kunden hervorragend ab: Laut dem aktuellem Kundenmonitor 2009 haben die Verbraucher den Kfz-Meisterbetrieben mit der Note „vollkommen zufrieden“ (1,93) ein äußerst positives Zeugnis ausgestellt.

Angesichts der zukünftigen Herausforderungen sei es für die Betriebe notwendig, das gesamte Service-Spektrum abzudecken und sich in ihrem Leistungsportfolio breit aufzustellen, empfiehlt der Obermeister. Das reiche vom Ölwechsel über die Mechanik, die Elektronik, die Glasreparatur bis hin zur Karosserieinstandsetzung. So habe der Verband beispielsweise mit „autoglas Plus“ ein System zur Abwicklung von Glasschäden geschaffen, das sich zur neuen starken Marke im Glasschadengeschäft entwickeln soll. Auch bei der Abgasuntersuchung (AU), die inzwischen in die TÜV-Plakette integriert worden ist, wirbt die Branche dafür, diese Serviceleistung in den Werkstätten durchführen zu lassen. Das geht entweder gleich zusammen mit der TÜV-Hauptuntersuchung, oder der Kunde fährt mit der AU-Bescheinigung zum TÜV.

Viele Serviceleistungen sind in den vergangenen Jahren selbstverständlich geworden. Reiner Irlenbusch: „Wenn ein Kunde mit einem Haftpflichtschaden zu uns in die Werkstatt kommt, gehen wir komplett in Vorleistung. Der Kunde muss sich um nichts kümmern, er unterschreibt uns lediglich eine Abtretung und wir wickeln den Schaden mit dem Versicherer ab.“

Gut gerüstet sieht sich das Kfz-Gewerbe für das Thema „Elektromobilität und alternative Antriebe“. So ist ein spezielles Weiterbildungsprogramm für die Wartung und Reparatur so genannter Hochvoltfahrzeuge entwickelt worden. Dabei geht es unter anderem darum, Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenautomobile spannungsfrei zu schalten, die Spannungsfreiheit auch zu überprüfen und ein versehentliches Wiedereinschalten zu verhindern.

Gewandelt hat sich auch die Ausbildung im Kfz-Gewerbe. Der Mechatroniker von heute muss weniger schrauben und sich stattdessen mit Strategien zur Fehlerdiagnose und –behebung beschäftigen. Heutzutage kommt bei jeder Arbeit am Auto ein Tester zum Einsatz. Selbst wenn das Polster des Sitzes ausgewechselt wird, müssen elektronische Codes generiert, Leitungen überprüft sowie Fehlerspeicher ausgelesen und zurückgesetzt werden. Alles Arbeiten, die ein erhöhtes Verständnis voraussetzen. Das verdeutlicht: Auch im Kfz-Handwerk, wie in vielen anderen Bereichen, ist das geforderte Qualifizierungsniveau gestiegen. Dennoch sagt Reiner Irlenbusch: „Wir müssen aufpassen, dass wir bestimmte Schülergruppen nicht aus dem Auge verlieren.“ Damit meint er vor allem Hauptschüler. Gerade in dieser Schulform gäbe es – entgegen der häufig aus politischen Motiven heraus vertretenen Meinung - viele gute Schüler, die für die KfZ Branche geeignet seien. Dies vor allem aus den Schulen, an denen sich die Lehrer persönlich für ihre Schülerinnen und Schüler einsetzten.

Die erfolgreichen Betriebe hätten es immer verstanden, hervorragende Mitarbeiter heranzuziehen, sagt Irlenbusch. Ein Mittel dazu sei für die Unternehmen der Weg in die Schulen, um sich dort positiv zu präsentieren. Das mache auch deshalb Sinn, weil der prognostizierte Schülerrückgang allmählich seine Schatten vorauswerfe. Schon im Herbst habe er in seinem eigenen Betrieb nicht mehr so viele Bewerbungen erhalten wie sonst, berichtet der Obermeister.

Noch eine Herausforderung also für die Kfz-Branche. Dennoch ist Irlenbusch um die Zukunft seines Handwerks nicht bange. „Mobilität ist gerade in unserer Region ein zentrales Thema“, sagt er, „da werden sich immer wieder Chancen bieten, die unsere Betriebe aktiv nutzen können.“   

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